Freitag, 29. August 2008
Freitag, 29. August 2008: Nablus, Hotel Jasmin
Für drei Wochen bin ich in Nablus und arbeite bei den Schwestern der Mutter Theresa. Die haben hier ein Haus für schwerstbehinderte Kinder und alte Frauen. Heute ist mein dritter Arbeitstag und ich habe beschlossen, mich in der Stadt nach einer Möglichkeit umzusehen, irgendwo ins Internet zu kommen. Tatsächlich, im Hotel Jasmin gibt es einen wireless-Zugang. Hier sitze ich jetzt also seit zwei Stunden, lese und schreibe E-mails und trinke Schai, den tollen arabischen Tee. Das heißt, so toll ist er gar nicht. Wie immer, wenn man nicht in eines der urigen arabischen Cafés (für verwöhnte deutsche Wohlstandsbürger: Löcher) geht, sondern in irgendein europäisches Flair, kriegt man überhaupt keinen echten Schai. Stattdessen tischen sie einem simplen Teebeuteltee auf. Immerhin mit frischer Minze, das is schon mal mehr als deutsche Cafés bieten. Nu ja, ich bin ja auch nicht zum Tee trinken hergekommen, sondern zum Internet nutzen. Das heißt, eigentlich doch auch zum Tee trinken. Aber beides zusammen geht wohl im Nahen Osten nicht – Schai und Laptop nebeneinander stehen zu sehen, verwirrt das Auge schon beim bloßen Hingucken. Das ging mir vor einem Jahr auch noch nicht so. – „Geh ein Jahr nach Jerusalem, und es wird dich total verändern.“ (Zitat von einem Ehemaligen von Studium in Israel auf der Auswahltagung)
Freitag, 18. Juli 2008
Donnerstag, 17. Juli 2008: Talmud mündlich
Gestern Vormittag, am Donnerstag, habe ich meine mündliche Prüfung vom Talmud-Proseminar gehabt. Dass unser Dozent um halb zehn, zur verabredeten Zeit, gar nicht in seinem Büro war, wunderte mich noch nicht so sehr, man is ja mittlerweile einiges gewöhnt. Es stellte sich dann auch heraus, dass sein Büro eigentlich irgendwo ganz anders war und wir dort, in den hintersten Katakomben des Geisteswissenschaften-Gebäudes, alleine gar nicht hingefunden hätten.
Er drückte mir zu Anfang einen der dicken Talmud-Bände in die Hand. Wir saßen einander gegenüber, jeder einen dieser Schinken auf den Knien, einen Protokollanten oder sonstige Formalitäten brauchte es offensichtlich nicht.
„Hast Du diesen und jenen Text auch gelernt?“
„Oh, nein, das hab ich anders verstanden, nämlich dass wir diesen Text nur inhaltlich kennen, aber nicht übersetzen können sollten.“
„Macht nix“, sagte er, „dann machen wir eben etwas anderes. Hast Du ein Lieblingskapitel bei den Texten, die wir im letzten Semester behandelt haben?“
Jippie, dachte ich innerlich und rief freudestrahlend wie aus der Pistole geschossen: „Ja, gilui daat!“ (Das is ein spezieller Terminus für den Fall, dass ein Mann seiner Frau einen Scheidebrief schickt und dann, während der Scheidebrief auf dem Weg bzw. noch nicht angekommen ist, irgendeine indirekte Äußerung oder Andeutung zu diesem Scheidebrief macht, ihn aber weder eindeutig bestätigt noch annulliert.)
Mit einem ordentlichen Prozentsatz Adrenalin übersetzte ich ihm dann Vers für Vers den aramäischen Talmudtext (natürlich ins Hebräische :P) und erklärte die Bedeutungen und Zusammenhänge.
Bald kamen wir zu einer Stelle mit einem besonders schwierigen aramäischen Wort. Ich behauptete, das „de“ am Anfang des Wortes wäre das Relativpronomen, das dann an das Wort angehängt wird.
„Nein, nein, das gehört zur Wortwurzel!“, rief er aus, stand auf und zückte ein dickes Wörterbuch. „Pass auf, ich zeig es Dir… Moment, wo is es denn…“, und hielt dann einen kleinen Vortrag über die verschiedenen Bedeutungen und Erscheinungsformen dieser Wortwurzel, während ich das Wörterbuch studieren durfte.
Irgendwann hatte er dann genug von gilui daat und ließ mich noch einen anderen Abschnitt beackern. Dort ging es unter anderem um sogenannte mamserim.
„Sag mal zuerst, was sind denn mamserim?“, wollte er zuerst wissen.
„Hm… uneheliche Kinder.“
„Nein, nicht ganz, sondern…“
Aber ich war mittlerweile schon an das orientalische Gesprächstemperament gewöhnt und unterbrach ihn sofort wieder. Wenigstens einen zweiten Versuch wollte ich mir nicht entgehen lassen. „Na gut, dann sind es eben Kinder einer verheirateten Frau, aber mit jemand anders als ihrem eigentlichen Ehemann.“
„Genau!“ Und er strahlte übers ganze Gesicht.
Rundherum zufrieden (wir beide) entließ er mich, nachdem wir so 40 Minuten fröhlich übersetzt, erklärt und diskutiert hatten. Ich bin gespannt, was als Note rauskommt. Auf jeden Fall bin ich schon mal sicher und dankbar, dass ich mich wesentlich besser präsentiert habe als noch im Februar – und wesentlich mehr Spaß hat es auch gemacht.
Er drückte mir zu Anfang einen der dicken Talmud-Bände in die Hand. Wir saßen einander gegenüber, jeder einen dieser Schinken auf den Knien, einen Protokollanten oder sonstige Formalitäten brauchte es offensichtlich nicht.
„Hast Du diesen und jenen Text auch gelernt?“
„Oh, nein, das hab ich anders verstanden, nämlich dass wir diesen Text nur inhaltlich kennen, aber nicht übersetzen können sollten.“
„Macht nix“, sagte er, „dann machen wir eben etwas anderes. Hast Du ein Lieblingskapitel bei den Texten, die wir im letzten Semester behandelt haben?“
Jippie, dachte ich innerlich und rief freudestrahlend wie aus der Pistole geschossen: „Ja, gilui daat!“ (Das is ein spezieller Terminus für den Fall, dass ein Mann seiner Frau einen Scheidebrief schickt und dann, während der Scheidebrief auf dem Weg bzw. noch nicht angekommen ist, irgendeine indirekte Äußerung oder Andeutung zu diesem Scheidebrief macht, ihn aber weder eindeutig bestätigt noch annulliert.)
Mit einem ordentlichen Prozentsatz Adrenalin übersetzte ich ihm dann Vers für Vers den aramäischen Talmudtext (natürlich ins Hebräische :P) und erklärte die Bedeutungen und Zusammenhänge.
Bald kamen wir zu einer Stelle mit einem besonders schwierigen aramäischen Wort. Ich behauptete, das „de“ am Anfang des Wortes wäre das Relativpronomen, das dann an das Wort angehängt wird.
„Nein, nein, das gehört zur Wortwurzel!“, rief er aus, stand auf und zückte ein dickes Wörterbuch. „Pass auf, ich zeig es Dir… Moment, wo is es denn…“, und hielt dann einen kleinen Vortrag über die verschiedenen Bedeutungen und Erscheinungsformen dieser Wortwurzel, während ich das Wörterbuch studieren durfte.
Irgendwann hatte er dann genug von gilui daat und ließ mich noch einen anderen Abschnitt beackern. Dort ging es unter anderem um sogenannte mamserim.
„Sag mal zuerst, was sind denn mamserim?“, wollte er zuerst wissen.
„Hm… uneheliche Kinder.“
„Nein, nicht ganz, sondern…“
Aber ich war mittlerweile schon an das orientalische Gesprächstemperament gewöhnt und unterbrach ihn sofort wieder. Wenigstens einen zweiten Versuch wollte ich mir nicht entgehen lassen. „Na gut, dann sind es eben Kinder einer verheirateten Frau, aber mit jemand anders als ihrem eigentlichen Ehemann.“
„Genau!“ Und er strahlte übers ganze Gesicht.
Rundherum zufrieden (wir beide) entließ er mich, nachdem wir so 40 Minuten fröhlich übersetzt, erklärt und diskutiert hatten. Ich bin gespannt, was als Note rauskommt. Auf jeden Fall bin ich schon mal sicher und dankbar, dass ich mich wesentlich besser präsentiert habe als noch im Februar – und wesentlich mehr Spaß hat es auch gemacht.
Freitag, 20. Juni 2008
Donnerstag, 21. Juni 2008: Mauerbauer
Rabbinerin Nava Hefetz von der israelischen Organisation „Rabbis for Human Rights“ hat mit uns eine kleine Tour zu arabischen Stadtteilen gemacht, die sozial und wirtschaftlich besonders schwer durch „die Mauer“ betroffen sind. Ein besonders sinnloses und unschönes Beispiel haben wir westlich von Bet Jallah bei Betlehem gesehen.

Hier sieht man, wie sich die Sperranlage den Hügel herunterschlängelt, direkt an der Straße entlang, oben am Checkpoint noch als Mauer, dann als Zaun – aber lückenlos. Frecherweise, aber bestimmt nicht ungewollt, verläuft sie mitten durch ein großes Grundstück, das einer alteingesessenen arabischen Familie gehört. Rechts in Bet Jallah ist ihr Haus, links von der Straße und dem Zaun ein Feld mit Olivenbäumen. Und von einem Tag auf den anderen konnte die Familie nicht mehr an ihre Oliven, die möglicherweise aber eine wichtige Einkunftsquelle für sie darstellt.
Jetzt gibt es in Israel auch noch ganz irre Rechtsverhältnisse, was Grundstückseigentum angeht. Ein Siedler kann sich quasi überall im Land auf einem Grundstück niederlassen und breit machen, und wenn er nicht innerhalb von einem Monat vom Eigentümer verjagt wird, ist es seins. Dummerweise kann eine Familie, die auf der einen Seite vom Zaun sitzt, nichts gegen irgendwelche kecken Siedler auf der anderen Seite machen, auch wenn die nur 50 Meter entfernt sind… Zum Glück haben sie sich sofort darum gekümmert und mit viel Schweiß und Stress um ihr Grundstück gekämpft. Jetzt dürfen sie wieder auf ihr Feld – mit einem einstündigen Umweg auf jedem Hin- und Rückweg über den Checkpoint. Sofern die Soldaten dort ihnen nicht aus reiner Willkür den Durchgang verwehren.
Betrachtet man das Schicksal vieler anderer Familien, deren Grundstücke durch die Sperranlage halbiert oder auch gleich in Brachland verwandelt wurde, haben sie noch Glück gehabt...
Hier sieht man, wie sich die Sperranlage den Hügel herunterschlängelt, direkt an der Straße entlang, oben am Checkpoint noch als Mauer, dann als Zaun – aber lückenlos. Frecherweise, aber bestimmt nicht ungewollt, verläuft sie mitten durch ein großes Grundstück, das einer alteingesessenen arabischen Familie gehört. Rechts in Bet Jallah ist ihr Haus, links von der Straße und dem Zaun ein Feld mit Olivenbäumen. Und von einem Tag auf den anderen konnte die Familie nicht mehr an ihre Oliven, die möglicherweise aber eine wichtige Einkunftsquelle für sie darstellt.
Jetzt gibt es in Israel auch noch ganz irre Rechtsverhältnisse, was Grundstückseigentum angeht. Ein Siedler kann sich quasi überall im Land auf einem Grundstück niederlassen und breit machen, und wenn er nicht innerhalb von einem Monat vom Eigentümer verjagt wird, ist es seins. Dummerweise kann eine Familie, die auf der einen Seite vom Zaun sitzt, nichts gegen irgendwelche kecken Siedler auf der anderen Seite machen, auch wenn die nur 50 Meter entfernt sind… Zum Glück haben sie sich sofort darum gekümmert und mit viel Schweiß und Stress um ihr Grundstück gekämpft. Jetzt dürfen sie wieder auf ihr Feld – mit einem einstündigen Umweg auf jedem Hin- und Rückweg über den Checkpoint. Sofern die Soldaten dort ihnen nicht aus reiner Willkür den Durchgang verwehren.
Betrachtet man das Schicksal vieler anderer Familien, deren Grundstücke durch die Sperranlage halbiert oder auch gleich in Brachland verwandelt wurde, haben sie noch Glück gehabt...
Samstag, 12. April 2008
Samstag, 12. April 2008: Die Vergangenheit liegt vor dir
Hebräisches Denken ist anders. Genauer gesagt, es läuft in eine andere Richtung. Das merkt man nicht nur beim Lesen von rechts nach links. Auch das Zeitverständnis ist auf den ersten Blick verwirrend, denn im hebräischen Denken liegt nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit vor einem.
Im Sprachkurs im Oktober sind wir darüber gestolpert, als unsere Lehrerin Noa uns das Wort lifne „vor“ erklärte. „Das ist eine Präposition sowohl für einen Ort als auch eine Zeit. Ein Mensch kann vor einem stehen oder ich stehe vor einem Geschäft. Genauso mit der Zeit: Der Tag gestern liegt vor mir.“
Allgemeine Verwirrung unter den Studenten breitet sich aus. „Wie, der Tag gestern liegt vor mir? Das muss doch heißen, der liegt hinter mir.“ (Das alles natürlich auf hebräisch.)
„Nein, nein“, wehrt Noa ab, „gestern liegt vor mir. Die Vergangenheit liegt vor mir, denn die kann ich sehen. Die Zukunft liegt hinter mir, in meinem Rücken, denn die kenne ich nicht, die ist für mich nicht sichtbar.“
Schon im Alten Testament wird das deutlich an den ausgeprägten Erinnerungen und Vergegenwärtigungen. Immer wieder wird das Volk Israel dazu ermahnt, seinen Kindern von dem Gott zu erzählen, der sie aus Ägypten geführt hat. „Und wenn eure Kinder zu euch sagen werden: Was habt ihr da für einen Brauch?, sollt ihr sagen: Es ist das Passaopfer des HERRN, der an den Israeliten vorüberging in Ägypten, als er die Ägypter schlug und unsere Häuser errettete.“ (2. Mose 12,26-27) Ein wesentlicher Bestandteil der jüdischen Religion besteht aus dem Vorausblick (eben nicht Rückblick) auf die Taten Gottes, die eben nicht vergangen sind, sondern heute genauso gegenwärtig und gültig.
So wird auch das Pessachfest nächstes Wochenende nicht als Rückblick auf etwas Früheres gefeiert. Die jüdische Familie, die am Pessachabend zusammensitzt, wird vielmehr in die Geschichte Gottes mit seinem Volk hineingenommen, als wenn sie damals dabei gewesen wäre. Ein Auszug aus der Liturgie am Erev Pessach, dem „Vorabend des Pessach“:
„Knechte waren wir dem Pharao in Ägypten, und der HERR unser Gott hat uns von dort mit starker Hand und erhobenem Arm herausgeführt. Und hätte der Heilige, gepriesen sei er, unsere Väter nicht aus Ägypten herausgeführt, so wären wir und unsere Kinder und unsere Kindeskinder weiterhin Knechte des Pharaos.“ (Die Pessach Haggadah, hg.v. Michael Krupp, Jerusalem 2006, S. 18)
Im Sprachkurs im Oktober sind wir darüber gestolpert, als unsere Lehrerin Noa uns das Wort lifne „vor“ erklärte. „Das ist eine Präposition sowohl für einen Ort als auch eine Zeit. Ein Mensch kann vor einem stehen oder ich stehe vor einem Geschäft. Genauso mit der Zeit: Der Tag gestern liegt vor mir.“
Allgemeine Verwirrung unter den Studenten breitet sich aus. „Wie, der Tag gestern liegt vor mir? Das muss doch heißen, der liegt hinter mir.“ (Das alles natürlich auf hebräisch.)
„Nein, nein“, wehrt Noa ab, „gestern liegt vor mir. Die Vergangenheit liegt vor mir, denn die kann ich sehen. Die Zukunft liegt hinter mir, in meinem Rücken, denn die kenne ich nicht, die ist für mich nicht sichtbar.“
Schon im Alten Testament wird das deutlich an den ausgeprägten Erinnerungen und Vergegenwärtigungen. Immer wieder wird das Volk Israel dazu ermahnt, seinen Kindern von dem Gott zu erzählen, der sie aus Ägypten geführt hat. „Und wenn eure Kinder zu euch sagen werden: Was habt ihr da für einen Brauch?, sollt ihr sagen: Es ist das Passaopfer des HERRN, der an den Israeliten vorüberging in Ägypten, als er die Ägypter schlug und unsere Häuser errettete.“ (2. Mose 12,26-27) Ein wesentlicher Bestandteil der jüdischen Religion besteht aus dem Vorausblick (eben nicht Rückblick) auf die Taten Gottes, die eben nicht vergangen sind, sondern heute genauso gegenwärtig und gültig.
So wird auch das Pessachfest nächstes Wochenende nicht als Rückblick auf etwas Früheres gefeiert. Die jüdische Familie, die am Pessachabend zusammensitzt, wird vielmehr in die Geschichte Gottes mit seinem Volk hineingenommen, als wenn sie damals dabei gewesen wäre. Ein Auszug aus der Liturgie am Erev Pessach, dem „Vorabend des Pessach“:
„Knechte waren wir dem Pharao in Ägypten, und der HERR unser Gott hat uns von dort mit starker Hand und erhobenem Arm herausgeführt. Und hätte der Heilige, gepriesen sei er, unsere Väter nicht aus Ägypten herausgeführt, so wären wir und unsere Kinder und unsere Kindeskinder weiterhin Knechte des Pharaos.“ (Die Pessach Haggadah, hg.v. Michael Krupp, Jerusalem 2006, S. 18)
Nachtrag von irgendwann im Dez: Entwicklungsländer und entwickelte Länder
Wenn man durch Jerusalems Innenstadt läuft, hat man das Gefühl, in die westeuropäischen 80er Jahre zurückversetzt zu werden. Aus allen Schaufenstern leuchtet, blinkt und springt es einem in allen Neonfarben ins Auge, ob es ein Spielzeugladen, ein Optiker oder ein Handyladen ist (na gut, die gab es damals noch nicht). Israelis lieben Kitsch, Plastik und sowieso alles, was den Trend des Vorjahres überbietet. Fast so sehr wie die Araber. Die Moderne ist in diesem Land noch nicht zu Ende – noch immer wird ausprobiert, was auch immer der Fortschritt nur zu bieten hat.
Diese zwanglose Begeisterung für die moderne westliche Kultur habe ich im Sprachkurs unerwartet in der Sichtweise der globalen Wirtschaft wiedergetroffen. „Es gibt Entwicklungsländer und entwickelte Länder“, erklärte uns unsere Sprachlehrerin unbekümmert. Es widersprach auch niemand. Nacheinander wurden dann unsere Herkunftsländer in diese beiden Kategorien eingeordnet. Japan, China, Sri Lanka, Deutschland, Norwegen… „Israel ist auch ein entwickeltes Land.“ Das war ihr offensichtlich wichtig, denn sie hob die Stimme und den Zeigefinger. Israel sei das einzige Land, das gewissen Ländern finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung zukommen ließe. Auf unsere verwunderten Nachfragen stellte sich dieses Argument als Spaß heraus. Vielleicht wollte sie uns nur irgendeine wichtige Vokabel beibringen. Dann wagte eine Studentin (aus Japan!) den Einwand, dass Israel aber doch eher in der Mitte zwischen den entwickelten und den Entwicklungsländern liege. Das ließ unsere Lehrerin aber nicht gelten, Israels Platz unter den entwickelten Ländern wurde mit Herzblut verteidigt. Fast wie die Studenten im Talmud-Proseminar, wenn es um die Auslegung der Gebote ging. Ob diese einseitige Hochschätzung westlicher Moderne sich hier deswegen länger halten kann, weil Israel sich ständig von den arabischen Nachbarstaaten und -kulturen abheben will?
Diese zwanglose Begeisterung für die moderne westliche Kultur habe ich im Sprachkurs unerwartet in der Sichtweise der globalen Wirtschaft wiedergetroffen. „Es gibt Entwicklungsländer und entwickelte Länder“, erklärte uns unsere Sprachlehrerin unbekümmert. Es widersprach auch niemand. Nacheinander wurden dann unsere Herkunftsländer in diese beiden Kategorien eingeordnet. Japan, China, Sri Lanka, Deutschland, Norwegen… „Israel ist auch ein entwickeltes Land.“ Das war ihr offensichtlich wichtig, denn sie hob die Stimme und den Zeigefinger. Israel sei das einzige Land, das gewissen Ländern finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung zukommen ließe. Auf unsere verwunderten Nachfragen stellte sich dieses Argument als Spaß heraus. Vielleicht wollte sie uns nur irgendeine wichtige Vokabel beibringen. Dann wagte eine Studentin (aus Japan!) den Einwand, dass Israel aber doch eher in der Mitte zwischen den entwickelten und den Entwicklungsländern liege. Das ließ unsere Lehrerin aber nicht gelten, Israels Platz unter den entwickelten Ländern wurde mit Herzblut verteidigt. Fast wie die Studenten im Talmud-Proseminar, wenn es um die Auslegung der Gebote ging. Ob diese einseitige Hochschätzung westlicher Moderne sich hier deswegen länger halten kann, weil Israel sich ständig von den arabischen Nachbarstaaten und -kulturen abheben will?
Montag, 18. Februar 2008
Donnerstag, 14. Februar 2008: Blockseminar-Früchtchen
Von Montag bis Donnerstag hatten wir (zum Glück auf Deutsch) das zweite Blockseminar unseres Studienjahres. Unser Dozent war Prof. Dr. Klaus Wengst aus Bochum. Der stolperte einmal über den Vers „Lobe den Herrn, meine Seele“, der öfter in den Psalmen vorkommt. Statt „Seele“ wollte er viel lieber „Kehle“ übersetzen. Er kritisierte die Tendenz in der Theologie, alles Mögliche immer gleich zu „vergeistigen“, ihm eine geistige, geistliche oder übernatürliche Bedeutung zu geben. „Dabei ist das doch so viel logischer und handfester. Natürlich ist es die Kehle, die Gott lobt und preist! Und nicht eine Seele – wie soll das denn gehen…“
Allerdings kann man auch auf der anderen Seite vom Pferd fallen. Ich habe den Eindruck, dass es in der Theologie der letzten vierzig Jahre viel zu stark Mode geworden ist, alles möglichst materiell und diesseitig zu begreifen. Über das Jenseits, über das Unsichtbare, über Gottes Welt traut sich kaum noch einer was zu sagen. Und die Herrschaft über Herz, Geist und Seele ist weitgehend von Esoterik, New Age und allen möglichen Freestyle-Religionscocktails übernommen worden.
Der eigentliche Fehler liegt aber darin, beide Welten voneinander zu trennen. Das hebräische Wort „näfäsch“ hat nun mal beide Bedeutungen: „Kehle“ und „Seele“ – und nicht nur die. Der ganze Mensch, mit seinen Organen und seinem Wesen, „mit Leib und Seele“, soll ein Lobpreis für Gott sein. Er ist eine Einheit aus vielen Bestandteilen und kann Gott mit vielen Stimmen die Ehre geben. Aber kein Teil ist von diesem Chor ausgeschlossen. Alle Gedanken und Gefühle, alle Körperteile und alle Taten, sein ganzes Leben und alle Einzelheiten – kein Teil, von dem nicht Gott die Ehre und Anbetung gebührt.
Wenn man Luthers Übersetzung nun so versteht, dass der Beter sich mit „meine Seele“ als ganze Person selbst anspricht und auffordert, Gott zu loben (und ihm nicht eine ziemlich philosophische Trennung zwischen „Seele“ und „Körper“ unterstellt), hat er den Sinn des Wortes eigentlich gar nicht so schlecht getroffen…
Allerdings kann man auch auf der anderen Seite vom Pferd fallen. Ich habe den Eindruck, dass es in der Theologie der letzten vierzig Jahre viel zu stark Mode geworden ist, alles möglichst materiell und diesseitig zu begreifen. Über das Jenseits, über das Unsichtbare, über Gottes Welt traut sich kaum noch einer was zu sagen. Und die Herrschaft über Herz, Geist und Seele ist weitgehend von Esoterik, New Age und allen möglichen Freestyle-Religionscocktails übernommen worden.
Der eigentliche Fehler liegt aber darin, beide Welten voneinander zu trennen. Das hebräische Wort „näfäsch“ hat nun mal beide Bedeutungen: „Kehle“ und „Seele“ – und nicht nur die. Der ganze Mensch, mit seinen Organen und seinem Wesen, „mit Leib und Seele“, soll ein Lobpreis für Gott sein. Er ist eine Einheit aus vielen Bestandteilen und kann Gott mit vielen Stimmen die Ehre geben. Aber kein Teil ist von diesem Chor ausgeschlossen. Alle Gedanken und Gefühle, alle Körperteile und alle Taten, sein ganzes Leben und alle Einzelheiten – kein Teil, von dem nicht Gott die Ehre und Anbetung gebührt.
Wenn man Luthers Übersetzung nun so versteht, dass der Beter sich mit „meine Seele“ als ganze Person selbst anspricht und auffordert, Gott zu loben (und ihm nicht eine ziemlich philosophische Trennung zwischen „Seele“ und „Körper“ unterstellt), hat er den Sinn des Wortes eigentlich gar nicht so schlecht getroffen…
Montag, 17. Februar 2008: Der Alltag wird nicht langweilig – dank Fahrrad
Da mein Fahrrad keine Schutzbleche hat, muss ich bei Regenwetter immer mit Regenjacke und Regenhose fahren. Sonst werde ich nicht nur von oben, sondern auch von unten nass – und das Wasser von unten ist bei weitem ekeliger als das von oben. Das einzige, was sich naturgemäß schlecht bedecken lässt, ist das Gesicht, deswegen bin ich immer mehr oder weniger gesprenkelt, wenn ich durch den Regen irgendwo ankomme.
So auch heute, als ich zur Uni und danach auf die Auguste Victoria gefahren bin. Eigentlich fahre ich gar nicht so ungern bei Regen, es ist (seltsamerweise) tatsächlich weniger Autoverkehr in der Stadt. Der Schwierigkeitsgrad ist natürlich zwei bis drei Level höher, weil die Autofahrer schlechtere Sicht haben und einen Fahrradfahrer noch weniger wahrnehmen als gewöhnlich – wo man sonst schon in ihrer Wahrnehmung so gut wie nicht existiert. Außerdem gibt es nicht genügend Gullys und auf den Straßen entstehen leicht kleine bis mittelgroße Bäche Regenwasser, die wie auf verzweifelter Suche nach einem Ausgang bergab plätschern.
Ich bin schon gewöhnt, dass hierzulande das Regenwasser auf der Straße so schmierig und dreckig ist, dass die Bremse erst zwei Sekunden verspätet reagiert. Bei einem solchen mittelgroßen Bach hab ich heute auch noch das Phänomen Aquaplaning mit dem Fahrrad kennen gelernt, da hat die Bremse dann überhaupt nichts mehr genützt. Hatte gewisse Ähnlichkeit mit Snowboard fahren. War sehr froh, dass ich mich nicht lang gelegt hab. Das Fahrrad fahren ist und bleibt mein Abenteuerspielplatz in diesem Jahr, der für den hin und wieder nötigen Adrenalinschub zwischen langen Sitzungen am Schreibtisch sorgt.
So auch heute, als ich zur Uni und danach auf die Auguste Victoria gefahren bin. Eigentlich fahre ich gar nicht so ungern bei Regen, es ist (seltsamerweise) tatsächlich weniger Autoverkehr in der Stadt. Der Schwierigkeitsgrad ist natürlich zwei bis drei Level höher, weil die Autofahrer schlechtere Sicht haben und einen Fahrradfahrer noch weniger wahrnehmen als gewöhnlich – wo man sonst schon in ihrer Wahrnehmung so gut wie nicht existiert. Außerdem gibt es nicht genügend Gullys und auf den Straßen entstehen leicht kleine bis mittelgroße Bäche Regenwasser, die wie auf verzweifelter Suche nach einem Ausgang bergab plätschern.
Ich bin schon gewöhnt, dass hierzulande das Regenwasser auf der Straße so schmierig und dreckig ist, dass die Bremse erst zwei Sekunden verspätet reagiert. Bei einem solchen mittelgroßen Bach hab ich heute auch noch das Phänomen Aquaplaning mit dem Fahrrad kennen gelernt, da hat die Bremse dann überhaupt nichts mehr genützt. Hatte gewisse Ähnlichkeit mit Snowboard fahren. War sehr froh, dass ich mich nicht lang gelegt hab. Das Fahrrad fahren ist und bleibt mein Abenteuerspielplatz in diesem Jahr, der für den hin und wieder nötigen Adrenalinschub zwischen langen Sitzungen am Schreibtisch sorgt.
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