Montag, 22. September 2008

11. September 2008: Woche des Lächelns

Heute dauerte mein allabendlicher special quest etwas länger als sonst. Die Schwestern haben seit drei Monaten ein kleines Baby namens Amir, vermutlich ein unehelich geborenes Kind und deswegen darf die Familie der Mutter nichts davon erfahren. Wenn die Schwestern nach dem Abendessen noch ein kurzes Gebet in der Kapelle haben, kriege ich den Amir immer auf den Arm und darf ihn in den Schlaf wiegen. Er hat mein Herz natürlich (wie das von allen anderen) im Sturm erobert, er ist meine absolute Lieblingsaufgabe.  Und heute ist er zweimal wieder aufgewacht, so dass ich ihn dreißig Minuten durchs Haus geschaukelt hab statt fünfzehn. Fand es dann fast schade, dass ich ihn dann doch schon hinlegen konnte… Manchmal, wenn man ein bisschen gibt, kriegt man viel Größeres zurück.
Mit den anderen Kindern war es diese Woche ähnlich. Ich habe viel Zeit an ihren Betten verbracht, mit ihnen geredet, ihre Hände gehalten, sie gestreichelt und lustige Grimassen für sie geschnitten. Das ist etwas, wofür die Schwestern bei aller Liebe und Fürsorge für die Kinder nicht so oft so viel Zeit finden. Das Mädchen Sanabel hat normalerweise immer einen verkniffenen Mund und verzieht keine Miene, sie sieht normalerweise aus wie der schwerste Fall von Dauerdepression, der mir je untergekommen ist. Diese Woche hat sie aber oft gelächelt und gelacht, wenn ich mich zu ihr gesetzt hab – einmal sogar minutenlang. Ich hab das Gefühl, das ist meine eigentliche Aufgabe gewesen, für die ich drei Wochen nach Nablus gekommen bin. Nicht, um den Schwestern das ein oder andere Mal das Füttern abzunehmen, nicht wirklich, um den Schwestern die Arbeit zu erleichtern. Sondern um bei diesen einsamen Kindern zu sein und ihnen zuzulächeln.

1 Kommentar:

Ralf hat gesagt…

Sehr geil! Und mir scheint, es ist oft wichtiger, ein Lächeln auf das Gesicht eines Kindes zu zaubern, als JEDE andere Aufgabe.