Freitag, 18. Juli 2008

Donnerstag, 17. Juli 2008: Talmud mündlich

Gestern Vormittag, am Donnerstag, habe ich meine mündliche Prüfung vom Talmud-Proseminar gehabt. Dass unser Dozent um halb zehn, zur verabredeten Zeit, gar nicht in seinem Büro war, wunderte mich noch nicht so sehr, man is ja mittlerweile einiges gewöhnt. Es stellte sich dann auch heraus, dass sein Büro eigentlich irgendwo ganz anders war und wir dort, in den hintersten Katakomben des Geisteswissenschaften-Gebäudes, alleine gar nicht hingefunden hätten.
Er drückte mir zu Anfang einen der dicken Talmud-Bände in die Hand. Wir saßen einander gegenüber, jeder einen dieser Schinken auf den Knien, einen Protokollanten oder sonstige Formalitäten brauchte es offensichtlich nicht.
„Hast Du diesen und jenen Text auch gelernt?“
„Oh, nein, das hab ich anders verstanden, nämlich dass wir diesen Text nur inhaltlich kennen, aber nicht übersetzen können sollten.“
„Macht nix“, sagte er, „dann machen wir eben etwas anderes. Hast Du ein Lieblingskapitel bei den Texten, die wir im letzten Semester behandelt haben?“
Jippie, dachte ich innerlich und rief freudestrahlend wie aus der Pistole geschossen: „Ja, gilui daat!“ (Das is ein spezieller Terminus für den Fall, dass ein Mann seiner Frau einen Scheidebrief schickt und dann, während der Scheidebrief auf dem Weg bzw. noch nicht angekommen ist, irgendeine indirekte Äußerung oder Andeutung zu diesem Scheidebrief macht, ihn aber weder eindeutig bestätigt noch annulliert.)
Mit einem ordentlichen Prozentsatz Adrenalin übersetzte ich ihm dann Vers für Vers den aramäischen Talmudtext (natürlich ins Hebräische :P) und erklärte die Bedeutungen und Zusammenhänge.
Bald kamen wir zu einer Stelle mit einem besonders schwierigen aramäischen Wort. Ich behauptete, das „de“ am Anfang des Wortes wäre das Relativpronomen, das dann an das Wort angehängt wird.
„Nein, nein, das gehört zur Wortwurzel!“, rief er aus, stand auf und zückte ein dickes Wörterbuch. „Pass auf, ich zeig es Dir… Moment, wo is es denn…“, und hielt dann einen kleinen Vortrag über die verschiedenen Bedeutungen und Erscheinungsformen dieser Wortwurzel, während ich das Wörterbuch studieren durfte.
Irgendwann hatte er dann genug von gilui daat und ließ mich noch einen anderen Abschnitt beackern. Dort ging es unter anderem um sogenannte mamserim.
„Sag mal zuerst, was sind denn mamserim?“, wollte er zuerst wissen.
„Hm… uneheliche Kinder.“
„Nein, nicht ganz, sondern…“
Aber ich war mittlerweile schon an das orientalische Gesprächstemperament gewöhnt und unterbrach ihn sofort wieder. Wenigstens einen zweiten Versuch wollte ich mir nicht entgehen lassen. „Na gut, dann sind es eben Kinder einer verheirateten Frau, aber mit jemand anders als ihrem eigentlichen Ehemann.“
„Genau!“ Und er strahlte übers ganze Gesicht.
Rundherum zufrieden (wir beide) entließ er mich, nachdem wir so 40 Minuten fröhlich übersetzt, erklärt und diskutiert hatten. Ich bin gespannt, was als Note rauskommt. Auf jeden Fall bin ich schon mal sicher und dankbar, dass ich mich wesentlich besser präsentiert habe als noch im Februar – und wesentlich mehr Spaß hat es auch gemacht.